
„Man muss sich einmal überwinden, dann wird’s leichter“
Talente-Team der Sportstadt Leipzig: Slalom-Kanutin Christin Heydenreich
Manchmal braucht es nur einen Urlaub, um eine Leidenschaft zu entdecken, die bleibt.
So war es bei Christin Heydenreich. Was als Freizeitspaß auf dem Wasser begann, wurde für die 19-jährige Leipzigerin schnell zum Lebensmittelpunkt. Heute gehört sie zu den erfolgreichsten Nachwuchsathletinnen im deutschen Kanu-Slalom, startet für den Leipziger-Kanu-Club und ist Teil des Talente-Teams der Sportstadt Leipzig.
Den ersten Kontakt mit dem Paddelsport hatte Christin während eines Familienurlaubs. Das Gefühl, auf dem Wasser zu gleiten, hat sie sofort begeistert. Nach den ersten Versuchen im Wanderkajak probierte sie den Slalom – Dynamik, Präzision und ständige Abwechslung faszinierten sie. Mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule begann schließlich der Weg in den Leistungssport und der führte steil bergauf. Christin kann auf folgende Erfolge aus den letzten Jahren zurückblicken: 2023 wurde sie Vizeweltmeisterin im Canadier (C1) der Juniorinnen und gewann Silber mit dem Kajak-Team. 2024 folgten Bronze bei der Europameisterschaft im C1 sowie erneut Team-Silber bei der Kajak-WM.
Zwischen Ehrgeiz und Ausgleich
Schon früh zeigte sich, dass Christin Talent und Zielstrebigkeit vereint. Im Jahr 2023 wurde sie zur Eliteschülerin des Sports der Stadt Leipzig ausgezeichnet – eine Anerkennung für ihr Engagement in Sport und Schule. Die Ehrung war für sie auch ein Zeichen, dass sich die vielen Stunden Training, Lernen und Durchhalten auszahlen. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr, dass sie diesen Moment mit ihrem damaligen Schulleiter der Sportoberschule Uwe Hempel teilen konnte, den sie als großen Unterstützer des Sports und der Schule wahrnahm. „Er war immer für den Leistungssport zu begeistern“, sagt Christin.
Neben all dem Ehrgeiz weiß Christin, wie wichtig Ausgleich ist. Ihre Familie und ihre beiden Dackel sind ihr größter Support und gleichzeitig ihr Ruhepol. Wenn sie mit ihrer Schwester Zeit verbringt oder bei Spaziergängen abschaltet, findet sie die Balance zwischen Anspannung und Entspannung. „Das hilft mir, den Kopf frei zu bekommen“, erwähnt sie. In stressigen Phasen, etwa rund um schulische Prüfungen, nimmt sie sich bewusst Zeit, um durchzuatmen.
Technik, Fokus und die Suche nach Perfektion
Technik und Präzision stehen bei Christin im Mittelpunkt. In der kommenden Winterphase arbeitet sie mit ihrer Trainerin Lena Stöcklin an Kraft, Ausdauer und Grundtechnik, die Grundlage für alle Disziplinen. Doch trotz gleicher Technikprinzipien entwickelt jeder Athlet mit der Zeit seinen eigenen Stil. Christin setzt auf lange, kraftvolle Schläge, ein Ansatz, der gut zu ihrer Körpergröße passt und ihr Stabilität verleiht. Am Kanu-Slalom fasziniert sie vor allem die Abwechslung. Keine Strecke ist wie die andere, jeder Lauf erfordert neues Denken und Reagieren. „Man weiß nie, was kommt“, sagt sie. „Alle stehen vor denselben Herausforderungen, das macht es fair und spannend zugleich.“ Gerade diese Mischung aus Konzentration, Technik und mentaler Stärke macht die Sportart für sie so einzigartig.
Kanu-Slalom – drei Disziplinen, ein Ziel
Kanu-Slalom ist eine olympische Disziplin, bei der die Athleten eine rund 250 Meter lange Wildwasserstrecke mit 18 bis 25 Toren befahren, teils flussaufwärts, teils abwärts. Ziel ist es, die Strecke möglichst schnell und fehlerfrei zu bewältigen. Für jede Torberührung gibt es zwei Strafsekunden, das Verfehlen eines Tores kostet sogar 50 Strafsekunden. Neben Kraft und Technik spielt das Wassergefühl eine entscheidende Rolle, denn jede Welle, jeder Wirbel kann den Lauf verändern. Im Wettkampf werden drei Bootsklassen unterschieden:
- K1 (Kajak-Einer): Hier sitzt der Athlet im Boot und steuert mit einem Doppelpaddel. Geschwindigkeit und Rhythmus sind entscheidend, um präzise durch die Tore zu fahren.
- C1 (Canadier-Einer): In dieser Disziplin kniet der Sportler und nutzt ein Stechpaddel nur auf einer Seite. Er muss durch Körperverlagerung und Balance das Boot präzise steuern, eine technisch anspruchsvolle Variante.
- KX (Kajak-Cross): Die jüngste olympische Disziplin kombiniert Slalom mit direktem Wettkampf. Vier Sportler starten gleichzeitig und fahren gegeneinander durch Tore und Hindernisse, eine actionreiche Mischung aus Taktik, Reaktionsvermögen und Mut.
Christin startet in allen drei Disziplinen. Vor allem im Canadier sieht sie ihr größtes Potenzial, denn dort könne sie technisch noch viel verbessern. Der Kajak-Cross hingegen ist für die eher ruhige Christin ein Zusatz: „Da braucht man schon Ellbogen und muss sich im Direktkontakt behaupten. Ich bin nicht der Typ Mensch, der direkt drauf fährt“, sagt sie und bleibt lieber bei dem, was sie am meisten liebt: technische Präzision und mentale Stärke im klassischen Slalom.
In Leipzig findet sie dafür perfekte Trainingsbedingungen. Die Wildwasserstrecke am Markkleeberger See zählt zu den modernsten Anlagen Deutschlands und bietet jungen Talenten optimale Voraussetzungen, um sich auf nationalem und internationalem Niveau zu entwickeln.
Vorbilder, Werte und innere Motivation
Christin ist ehrgeizig, aber sie misst ihren Erfolg nicht ausschließlich an Ergebnissen. Sie trainiert und startet aus innerer Überzeugung, weil sie den Sport liebt. „Die Motivation muss aus einem selbst kommen“, betont sie. Dabei orientiert sie sich an starken Persönlichkeiten des Kanusports. Insbesondere Jessica Fox, die australische Weltmeisterin, inspiriert sie. Fox beherrscht sowohl Kajak als auch Canadier auf Weltklasse-Niveau, genau das strebt Christin ebenfalls an. Auch Andrea Herzog, die Leipziger Bronzemedaillengewinnerin im Canadier-Einer bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio, ist ihr ein großes Vorbild. Ihre Erfolge verdeutlichen, was mit Disziplin, Geduld und Leidenschaft erreicht werden kann. Doch der Weg an die Spitze ist selten geradlinig. Bei der Weltmeisterschaft 2024 hatte Christin einen nahezu perfekten Lauf im Canadier-Finale bis zur letzten Torberührung, die sie die Goldmedaille kostete. „Das war schwer zu akzeptieren“, erzählt sie. „Aber ich habe gelernt, dass so etwas dazugehört.“ Statt sich entmutigen zu lassen, nahm sie den Moment als Erfahrung mit. „Ich weiß jetzt, dass ich in entscheidenden Situationen vorne mitfahren kann.“
Dieser Umgang mit Rückschlägen prägt sie bis heute. Vor jedem Start hat sie ihr Ritual: Sie fährt die Strecke gedanklich ab, stellt sich ihre Schläge vor und beruhigt sich mit einem Song, den sie im Kopf durchgeht. Die runterlaufende Uhr oder ihrer Konkurrenz zuzusehen, würde sie nur nervöser machen.
Christins Haltung lässt sich am besten mit ihrem eigenen Motto zusammenfassen: „Man muss sich einmal überwinden, dann wird’s leichter.“ Im Kanu-Slalom bedeutet das ganz wörtlich, nach einem Kentern wieder einzusteigen, aber auch sinnbildlich, immer wieder neu anzufangen, wenn etwas nicht klappt. An junge Sportler gibt sie weiter: „Auch wenn man mal schwimmt, einfach wieder ins Boot steigen. Das ist besser für den Kopf.“
Olympia im Blick
Für die nächsten Jahre hat Christin klare Ziele. Sie will sich in der U23-Nationalmannschaft fest etablieren und langfristig in den Leistungskader aufsteigen. Der Sprung von der U18 in die U23 war anspruchsvoll. Doch genau diese Herausforderung motiviert sie.
Nach dem Fachabitur möchte Christin sich ganz auf den Sport konzentrieren und in eine Sportfördergruppe aufgenommen werden. Beruflich interessiert sie sich für den Gesundheits- und Sozialbereich, eine Richtung, die zu ihrem Wesen passt: ehrgeizig, empathisch und bodenständig. Wichtig sei ihr dabei immer, dass ihr berufliches Leben mit ihren sportlichen Ambitionen übereinkommen.
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