Kein Randthema mehr: Die Kraft der Sportstadt Leipzig zeigt sich auch in den Bedingungen für körperlich und/oder geistig beeinträchtigte Sportler. SSL hat mit Para-Athleten gesprochen und sich in deren Netzwerken umgehört. Im zweiten Teil treffen wir unter anderem Carsten Zeuke, Axel Ackermann und Lorenz Fasold.
Von Markkleeberg nach Santiago de Chile
Auch Carsten Zeuke hat ein klares Ziel: die Special Olympics 2027 in Santiago de Chile. Trotz Schlaganfalls und Herzinfarkts mit Folgen wie spastischer Lähmung und Sehbehinderung blieb der Sport stets sein verlässlicher Anker. Der Markkleeberger trainiert in der Rollstuhlsport-Abteilung des SC DHfK mit und hat im Parasport bereits 13 Medaillen bei nationalen und internationalen Wettbewerben im Laufen und Kugelstoßen gewonnen. In Chile bei der weltweit größten Bewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung will er nun im Schwimmen über 25 Meter Freistil an den Start gehen. „Mit 14 Jahren habe ich bei der BSG Rotation Leipzig-Süd Wasserball gespielt, später war ich Rettungsschwimmer. Nun war ich bei einem Anerkennungswettbewerb und habe gewonnen“, erzählt der 61-Jährige. Jetzt folgen weitere Turniere und im Sommer 2026 die Qualifikation.


Carsten Zeuke hat die Special Olympics 2027 fest im Blick (re.).
Fotoquellen: Martin Stein und Sportstadt Leipzig
Das ist auch im Breitensport möglich, am besten durch inklusive Angebote, die alle Sportbegeisterten ansprechen – unabhängig von einem oder eben keinem Handicap. Innerhalb dieser „Königsdiziplin“ gibt es in der Messestadt starke Vereine und Personen. In der „LIGA für ALLE“ gilt: „Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion, Behinderung, Identität spielen bei uns keine Rolle! Hauptsache, Fußball ist eure Leidenschaft“. Die erste inklusive Fußballliga der Stadt hat in der laufenden Saison fünf Spieltage in Turnierform terminiert, 2025/26 werden es sieben Spieltage sein. „Es geht um Teilhabe für jeden, der Fußball liebt“, erklärt Staffelleiter Axel Ackermann, der die Liga mit dem „Sport für Alle – Leipzig e. V.“, dem Projekt „Inklusiver Kinder- und Jugendsport“ (IKJS) und dem Fußballverband der Stadt Leipzig (FVSL) umsetzt. Bei der Realisierung helfen ein großes Netzwerk und viel Idealismus. Beides bringt Ackermann, der auch das Inklusive Sportfest beim Berufsbildungswerk Leipzig in Knauthain mitorganisiert, mit. Die sechste Auflage am 16. August bietet neben Ausprobieren und Selbsterfahrung auch Turniere im Fußball, Rugby und Schach für Jedermann an.
Mehrwert statt Mehrarbeit
Zu den knapp 30 Vereinen, die in Leipzig inklusiven Sport anbieten (Übersicht: www.ikjs-leipzig.de) gehört der SV Rhinos Leipzig. Die Trainings in Badminton, Boccia und Tischtennis sind inklusiv gestaltet und reichen im Niveau von just-for-fun bis hin zu sechs Medaillen bei der Deutschen Meisterschaft im Para-Badminton 2024. „Mit rund 70 Sportlerinnen und Sportlern haben wir einen richtig guten Zuspruch. Es funktioniert, wenn alle Seiten den Mehrwert für alle im Blick haben“, so
Vereinskoordinator Lorenz Fasold. Er ist zugleich Projektleiter der Sportbuddies für Leipzig. Diese Ehrenamtlichen helfen beim Training, bei der Orientierung auf der Anlage sowie der Anreise zur Sportstätte. „In der Inklusionsschulung geht es neben den praktischen Aspekten vor allem um die zwischenmenschliche Ebene, das Mindset. Wir ermöglichen hier ein Menschenrecht, denn jeder hat Anspruch auf Teilhabe“, erklärt Fasold. Die Nachfrage ist da, die Suche nach Freiwilligen läuft über die Sportwissenschaftliche Fakultät der Uni Leipzig, an der HTWK Leipzig und bei der Freiwilligen-Agentur-Leipzig. Höher ist die Hemmschwelle noch bei Vereinen. „Ich wünsche mir, dass Inklusion nicht als Mehrarbeit gesehen wird, sondern als Mehrwert. Wir haben zum Beispiel auch Para-Sportler im Vorstand, und beim Boccia wächst eine Spielerin mit geistiger Beeinträchtigung in die Rolle der Übungsleiterin hinein. Inklusion ist keine Einbahnstraße, das muss noch stärker in die Köpfe.“
Das Thema hat auch beim Stadtsportbund Leipzig (SSB) eine wichtige Bedeutung. Deshalb hat der SSB vor einigen Jahren das Netzwerk „Inklusion im Sport“ ins Leben gerufen. „Unser Netzwerk dient als Kreis von Leuten, die gemeinsam das Thema „Inklusion“ aufgreifen und verbreiten. Jeder, der am Thema ‚Inklusion im Sport‘ interessiert ist, ist eingeladen, mitzumachen“, erklärt Netzwerk-Koordinator Christian Lehmann: „Die große Herausforderung ist nicht immer das fehlende Geld, sondern Angebote zu finden. Diese müssen bekannt gemacht werden. Das Netzwerk soll Vereine und Menschen mit Behinderung zusammenführen.“

Lorenz Fasold (li.) mit den Boccia-, Tischtennis- und Badmintonspielern vom SV Rhinos.
Fotoquelle: SV Rhinos
Inklusion hat Luft nach oben
Diesem Netzwerk gehören aktuell etwa 60 Personen an, zu den regelmäßigen Treffen kommen etwa 15. Das nächste Netzwerktreffen soll noch vor der Sommerpause stattfinden. „Insgesamt funktioniert die Inklusion bei einigen Vereinen schon ganz gut, es ist aber auf jeden Fall noch Luft nach oben. Das Thema ‚Inklusion‘ muss präsenter in die Öffentlichkeit getragen werden. Auch das ist eine wichtige Aufgabe unseres Netzwerkes“, so Lehmann weiter: „Es ist für Vereine nicht so einfach. Sie stoßen beim Thema ‚Inklusion‘ an ihre Grenzen. Inklusive Gruppen brauchen oft noch mindestens einen Betreuer mehr.“
Auch die Stadt Leipzig hat das Thema „Inklusion“ im aktuellen Sportprogramm fest verankert. „Dabei wird kein Unterschied zwischen Sport mit und ohne Beeinträchtigung gemacht“, stellt Sportamtsleiterin Katja Büchel klar und ergänzt: „Zu den Schwerpunktsportarten im Bereich der Projektförderung gehört in diesem Jahr auch Sitzvolleyball. Außerdem gibt es eine Unterstützung bei der Finanzierung der Arbeitsstelle für Para-Triathlet Martin Schulz.“ Die finanzielle Unterstützung für Sportveranstaltungen mit den Schwerpunkten Integration und Inklusion ist fest eingeplant. Im neuen Sportprogramm, das Ende 2026 verabschiedet werden soll, wird dem Thema eine noch stärkere Priorität als bisher eingeräumt.
Ein echtes Vorzeigeobjekt des Leipziger Para-Sports ist die Paralympische Sporthalle in der Philipp-Rosenthal-Straße, die im vergangenen Herbst eröffnet wurde. Hier sollen im November die Deutschen Nachwuchsmeisterschaften im Para-Badminton stattfinden. Weitere nationale und internationale Sportveranstaltungen im Para-Sport sollen nach Leipzig geholt werden. „Damit verbinden wir das
Ziel, Leipzig als weltoffenen und guten Gastgeber zu präsentieren, auch im Behindertensport“, fügt Katja Büchel an. Im Rahmen der Olympiabewerbung mit Berlin ist im Kontext der Athletenerfahrung ein Workshop mit Sportlern der olympischen und paralympischen Spiele geplant, um Erfahrungen, Wünsche und Vorstellungen in die Bewerbung einfließen zu lassen.