0341 35590184

Inklusion bewegt: Para-Sport in Leipzig (Teil 1)

Kein Randthema mehr: Die Kraft der Sportstadt Leipzig zeigt sich auch in den Bedingungen für körperlich und/oder geistig beeinträchtigte Sportler. SSL hat mit Para-Athleten gesprochen und sich in deren Netzwerken umgehört. Im ersten Teil treffen wir Rennrollstuhlfahrer Amos Donath vom Talente-Team der Sportstadt Leipzig.

Amos Donath muss nach dem morgendlichen Intervalltraining mit dem Rennrollstuhl für einen Moment durchschnaufen. Auch seiner Trainerin Simone Zimmermann stehen einige Schweißperlen im Gesicht. Die 57-Jährige fährt jede einzelne Runde, die ihr Schützling mit dem knallroten Rennrollstuhl auf der blauen Tartanbahn des Testfelds der Sportwissenschaftlichen Fakultät absolviert, auf dem Mountainbike nebenher. Auf bis zu 28 km/h beschleunigt der 15-Jährige mit der Muskelkraft seiner Arme und Hände und lehnt sich dabei mit dem Oberkörper fast waagerecht nach vorn. Dabei kniet er auf der schmalen Sitzfläche, seine Hände stecken in extra verstärkten Spezialhandschuhen aus Leder, um die Rennmaschine anzutreiben.

Klares Ziel: Paralympics

Der Achtklässler ist in diesem Schuljahr aufs Sportgymnasium gewechselt und ist einer von zwei Para-Sportlern der Eliteschule. Sein Vorhaben hat er klar vor Augen: „Mein großes Ziel sind die Paralympics“, sagt er voller Überzeugung und mit ansteckendem Optimismus. „Darauf trainiere ich hin.“ Schon jetzt gehört er zu den Schnellsten in Deutschland, eine Teilnahme 2028 in Los Angeles ist durchaus möglich, auch wenn er dann erst 18 ist. 

Amos Donath wurde mit einem „offenen Rücken“ geboren. Spina bifida, so der medizinische Fachbegriff, ist eine Fehlbildung, die bei circa jeder 1000. Geburt auftritt. In seinen Beinen hat Amos kaum Gefühl, unterhalb der Lendenwirbelsäule ist er gelähmt. „Ich bin damit aufgewachsen, für mich ist das Normalität. Durch das Rollstuhl-Skaten habe ich gelernt, wie ich damit im Alltag zurechtkomme“, schildert er. „Für mich ist das alles entspannt.“ Sein positiver Umgang mit seiner Behinderung hilft ihm beim Leistungssport ebenso wie beim Alltag im Sportgymnasium, wo er in einer Doppelstunde pro Woche auch am regulären Sportunterricht mit seinen Mitschülern teilnimmt.

Gutes Netzwerk und starke Strukturen

Der junge Mann aus der Leipziger Suüdvorstadt strotzt vor Bewegungsdrang. „Fuür Amos ist Bewegung ein Grundbedürfnis“, sagt seine Trainerin Simone Zimmermann. Dazu habe der Para-Athlet ein „absolutes Gewinnergen, er will trainieren und ist ehrgeizig“, sagt seine langjährige Förderin. „Er ist mit 15 Jahren schon sehr, sehr schnell.“ Dabei hat er mit Krafttraining noch gar nicht begonnen. In der Halle fuhr Donath jüngst deutschen Rekord über 200 und 800 Meter. Derzeit läuft eine Crowdfunding-Kampagne, um möglichst 4.000 Euro zu sammeln, die er benötigt, um im Sommer an einer Rennserie in der Schweiz teilnehmen zu können, wo die besten Athleten der Welt starten.

Seit Amos ein Jahr alt war, wird er von Simone Zimmermann trainiert, die eine Pionierin des Leipziger Behindertensports ist. Sie hat den Studiengang innerhalb der Sportwissenschaft nach der Wende mitgegründet und ist jeweils zweite Vorsitzende im Leipziger Behinderten- und Reha-Sportverein (LBRS) sowie im Sächsischen Behinderten- und Reha-Sportverband (SBV). Beim Internationalen Trainerkurs (ITK) bildet sie Trainer aus aller Welt aus. „Mit dem Herzen bin ich vor allem Trainerin“, sagt sie. Amos kam als Kleinkind in die Rollstuhlmobilitätsgruppe beim LBRS und lernte dort das Rollstuhlfahren so wie andere Kinder das Laufen. Seitdem er mit fünf Jahren an einem Schnuppertraining im Rennrollstuhl teilnahm, lässt ihn die Faszination der Geschwindigkeit nicht mehr los.

Morgendliches Training: Drei Einheiten absolviert Amos Donath pro Woche.

Fotoquelle: Niklas Wehling

Unterstützt wird er von Schulbegleiter Andy Beyer, der vom Sozialamt der Stadt finanziert wird und im Unterricht ebenso dabei ist wie bei den schulischen Sportaktivitäten. Bisweilen fungiert er als Mechaniker, wenn es am Rennrollstuhl etwas zu Schrauben gibt. Auch Beyer begleitet Amos bereits seit mehr als zwölf Jahren. Ein Paradebeispiel für ein gutes Netzwerk und sinnvolle Strukturen innerhalb der Sportstadt Leipzig, um den auf diesem Niveau einzigen Rennrollstuhlfahrer Sachsens zu fördern

Inklusion muss selbstverständlich sein

Simone Zimmermann, die die Entwicklung seit etwa 40 Jahren verfolgt und mitgestaltet, bilanziert: „Es bewegt sich etwas in Leipzig in einzelnen Sportarten und in einzelnen Bereichen.“ Inklusionssport sei kein Randthema mehr. Wenn man sie nach einem Ausblick fragt, hofft sie auf noch mehr Akzeptanz, Öffnung und Selbstverständlichkeit: „Ich würde mir wünschen, dass wir irgendwann gar nicht mehr über das Thema reden, sondern einfach jede und jeder die Möglichkeit hat, dort aktiv zu werden, wo er oder sie gern möchte – egal, ob mit oder ohne Behinderung oder mit anderem Hintergrund.“ Also Inklusion als Selbstverständlichkeit, als die sie Leipzigs Para-Sport-Hoffnung Amos Donath bereits jetzt begreift und dementsprechend selbstbestimmt seinen Weg einschlägt – auf drei Rädern und mit viel Speed.

“Es bewegt sich etwas in Leipzig in einzelnen Sportarten und in einzelnen Bereichen”

Simone Zimmermann, Pionierin im Leipziger Behindertensport

  • 09.05.2025
  • Jubiläumsfeier – seit 35 Jahren sorgen die Löwen für Sicherheit

  • 09.05.2025
  • Der Tanz an der Stange 

  • 09.05.2025
  • Weltspitze im Fokus 

  • 09.05.2025
  • Inklusion bewegt: Para-Sport in Leipzig (Teil 4)

  • 09.05.2025
  • Inklusion bewegt: Para-Sport in Leipzig (Teil 3)

  • 09.05.2025
  • Inklusion bewegt: Para-Sport in Leipzig (Teil 2)

  • 09.05.2025
  • Inklusion bewegt: Para-Sport in Leipzig (Teil 1)

  • 06.05.2025
  • „Sie geben Zeit, Ideen und Kraft“

  • 22.04.2025
  • „Manchmal braucht es ein bisschen Anlauf“ – eine Leidenschaft, die sich entwickelt hat

  • 15.04.2025
  • 47. LEIPZIG MARATHON – Stimmen aus der Sportstadt Leipzig